Das "Wettrüsten" hat begonnen ...
Es hat begonnen. Das alljährliche
Wettrüsten, nachdem Elektrizitätsfirmen sich die Hände lecken, und beidem
Nachbarn, die sich das ganze Jahr über gut verstanden, zu Erzfeinden werden. Und
ich wurde Zeuge.
Samstag. 6. November 2004.
20.30 Uhr. Tatort: Nürnberg. Regensburger Straße.
Ich lief gerade von der Straßenbahn
nach Hause, als ich plötzlich fast erblindete. Kennt ihr das, wenn ihr von einem
dunklen Raum ins Helle tretet, und euch tierisch die Augen weh tun? - So, nur
noch 100 mal schlimmer müsst ihr euch das vorstellen. Geblendet von dem Licht
kniff ich die Augen zusammen. Als ich mich an die Situation gewöhnt hatte
erkannte ich, dass es kein grell blinkendes UFO war, wie es einige jetzt
vielleicht angenommen hatten, und nein, es war auch kein Feuer - es war
Weihnachtsbeleuchtung. Und was für Weihnachtsbeleuchtung....
Nach meinem ersten Schock brachte ich
nur noch ein "Oh Gott nein..." hervor, während
ich den Strauch betrachtete, der von oben bis unten mit blinkenden Lichterketten
behangen war. Die Zweige des sonst sehr kräftigen Gewächses hingen unter dem
Gewicht nach unten, doch das schien niemanden zu stören. Auch das Fenster sah
nicht anders aus. Blinkende Kugeln und Mandala ähnliche Gebilde, die in
weihnachtlichem weiß dahinleuchteten. Rentiere mit roten Nasen krönten den
Anblick.
Es ist nicht so, dass ich Weihnachten nicht mag, ich mag es schon. Ich mag die
Lebkuchen, den Glühwein, das Fest an sich,...
aber ich verabscheue dieses Aufrüsten unserer, von November bis Januar
verfeindeten, Nachbarn. Am liebsten würde ich sie zur
Demontage*zwingen, aber da misch ich mich nicht ein... aus Prinzip schon
nicht.
(* Demontage =
Abbau kriegswichtiger Industrieanlagen - um mein Geschichtswissen zu beweisen...
Das gibt einen + Punkt....)
Und ich hatte Recht... ich wendete den
Blick nach Rechts und ich sah mindestens die doppelte
Beleuchtung am Nachbarsbalkon. Und auch die anderen Terrassen, Bäume,
Fenster und Sträucher erstrahlten. Mein angewidertes Gesicht wurde von einem
überheblichen "Na Marina? Was sagst du zu unserer
Beleuchtung?" in ein freundlich lächelndes verwandelt.
"Hell." War das Einzige, was ich in dem Moment
hervorbrachte. "Jahaha... Aber das ist noch nicht
alles...." ein knapp 25 Minuten langer
Vortrag über die weiteren Pläne die gesamte Energie der Erde auf eine Terrasse
zu verlagern später, konnte ich mich mit einem "Ja, ich
seh schon, sie haben die Nacht zum Tage gemacht... ich muss weiter." aus
der einseitigen Unterhaltung winden.
Keine zwei Minuten später begegnete mir
der nächste Nachbar, der gerade ziemlich überfordert, und in eine Lichterkette
gewickelt am Balkon stand. Seine Frau hektisch hinter ihm.
"Schönen guten Abend, haben Sie keine Sorgen, dass bei
uns die Vögel aussterben, weil sie verwirrt sind und nicht mehr wissen, wann Tag
und wann Nacht ist?" rief ich scherzend nach oben. - Fehler - . Wieder
wurden mir die weiteren Pläne erzählt... jedes einzelne Detail.
Als ich es endlich nach Hause geschafft hatte, musste mein Vater mir erstmal
versprechen, dass wir so einen Schwachsinn nicht machen werden. Einfach aus dem
Grund, dass ich nicht an dem Nachbarschaftskrieg beteiligt sein will.
Wenn ich nachts aus dem Fenster sehe,
ist es jetzt jedenfalls heller als am Tag. Mich
strahlen rote Engel, weiße Rentiere und grüne Weihnachtsmänner an. Sobald ein
Nachbar auch nur eine weitere kleine Glühbirne an der Lichterkette angeschraubt
hat, reagieren die anderen Nachbarn mit zehn weiteren darauf. Und es ist erst
Mitte November.
Sollte irgendwann demnächst in der
gesamten Bundesrepublik der Strom ausfallen, dann schiebt es ruhig auf meine
Nachbarn, denn mit einer Gewissheit von rund 70 % sind sie auch wirklich daran
Schuld.
In dem Sinne: Fröhliches Leuchten!
Eure
Marina (2005/06)
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