Marina Jones herself
Donnerstags ist der
Tag in der Woche, der nach dem Montag ganz unten auf der Beliebtheitsskala
steht. Warum? Ich habe 7 Schulstunden.
Zwei davon Sport. Letzten Donnerstag wurde das Gefühl des totalen
Nervenzusammenbruchs noch dadurch verstärkt, dass mir das geschah, was in
Comedyserien immer
mit Kinderwägen passiert...
Ich
fuhr kurz nach zwei
halbtot
mit der Straßenbahn nach Hause. Nach 25 Minuten laufen und anschließend
Volleyball sah ich dementsprechend aus. Mir tat die Hand weh, ich hatte in der
Hektik des Ich-muss-meine-Straßenbahn-noch-erwischen meinen Pulli falsch rum
angezogen und als ich keuchend an der Straßenbahn ankam war natürlich
kein
Sitzplatz mehr frei...
Ich
stellte mich also in den engen Gang, gegenüber von einem alten Mann und neben
einen ca. 19 Jahre alten Schüler/Studenten. Total geschafft stellte ich meinen
schwarzen
Eastpak
(Ja, seit Neustem hab ich jetzt auch einen, auch wenn ich mich als
YPSO-Vertreterin
immer dagegen gewehrt habe... der Reißverschluss meines Rucksackes hat sich
nämlich dazu entschlossen kaputt zu gehen) vor mir auf den Boden.
Normalerweise reise ich ja mit meiner
Mobicard,
für die ich jetzt zwar keine Schleichwerbung machen will, die aber total
nützlich ist. Gestern war diese jedoch ausgelaufen und ich war noch nicht dazu
gekommen, mir eine neue zu holen. Also -
Streifenkarte.
Ich
kramte also meinen Geldbeutel aus dem Rucksack und fischte die Karte heraus. Ein
hilfesuchender Blick
an den Schüler/Studenten neben mir, der sich freundlicherweise bereiterklärte,
auf meinen Rucksack aufzupassen, während ich mich durch knapp
200
Fahrgäste
quetschte, die mit dem einzigen
Ziel
aufgestanden waren, um
mir den
Weg zum Entwertungsschalter zu versperren.
Als ich es endlich geschafft hatte, den richtigen Streifen zu entwerten, wurde
auch schon
meine
Haltestelle
aufgerufen (Warum hab ich mir überhaupt die Mühe gemacht?) Die Türen gingen auf
und ich flitzte hektisch zurück, griff nach meinem Rucksack, nickte kurz dankbar
Richtung Schüler/Student und hüpfte aus der Strabah.
Ich ging zwei Meter bis zu der Ampel, die prinzipiell
immer auf rot geschalten
ist, wenn ich über die Straße gehen will. Die Wartezeit nutzend kramte ich dann
immer schon mal nach meinem Schlüssel. Und auch Heute wollte ich dieser
Tradition nach gehen.
Aber
der Rucksack, den ich um meine Schulter geschwungen hatte, sah irgendwie anders
aus, als sonst. Er war zwar immer noch Eastpak. Und er war immer noch schwarz,
aber irgendwas war hier falsch. Als ich den Reißverschluss öffnete und mir das
Buch
“Psychologie für Anfänger”
in die Augen lächelte war mir endgültig klar, dass das
nicht
mein Rucksack
war.
Geschockt stand ich bestimmt eine Minute da. Die Fußgänger hinter mir
beschimpften und verfluchten
mich, weil ich im Weg stand, aber das interessierte mich gar nicht allzu sehr.
Plötzlich kam mir ein
verrückter, idiotischer, unmöglicher, schrecklicher, tödlicher Geistesblitz:
Renn.
Ich
hatte Heute schon genug Sport gemacht. Viel zu viel eigentlich. Aber ich rannte
los. Die kleinen Abkürzungen entlang, quer über das Schulgelände der
EWF
(Erziehungswissenschaftliche Fakultät - es hört sich noch besser an, wenn die
mechanische Stimme in der Straßenbahn das sagt...).
3 Stationen rannte ich einige Meter hinter der Straßenbahn her - wurde derweil
von
2 Hunden
angekläfft, von einer älteren Dame angeschrieen und von zwei Radfahrern um ein
Haar überfahren,
aber ich schaffte es die Straßenbahn am Doku-Zentrum abzufangen.
Ich
rollte mich
Indiana
Jones like
in die Straßenbahn hinein und sah total fertig mit der Welt den
Schüler/Studenten an.
“Das
ist wohl deiner, oder?”
ich hielt ihm den Rucksack entgegen, den er grinsend entgegennahm.
“Gefangenenaustausch?”
grinste er und schob mir meinen Rucksack hin. Ich nickte kurz und betete
insgeheim um einen
25 Liter Eimer Wasser oder besser ein Sauerstoffzelt.
“Danke für’s zurückbringen”
meinte er noch kurz und ich erwiderte ein
“Immer wieder gerne”
- was komplett erlogen war. Ich fuhr noch zwei Stationen mit, bis ich an dem
kleinen Schleichweg war, durch den ich am Kürzesten nach Hause kommen würde. Der
Schüler/Student heißt übrigens
Timo,
ist
20
Jahre alt
uns studiert - nach eigener Aussage aus
“purem
Masochismus”
Psychologie.
Wenn
ich jetzt mit der Straßenbahn fahre, umkralle ich meinen Rucksack wie nichts
anderes. Die Leute halten mich für komplett übergeschnappt oder denken ich hätte
sehr sehr wertvolle Ding ein meinem Eastpack. Eigentlich sind es ja
nur
Schulbücher
und ähnliches, aber welcher Lehrer glaubt einem die Aussage “Ich habe Gestern
aus Versehen den falschen Rucksack aus der Straßenbahn mitgenommen” schon? Und
noch viel Wichtiger: Ich überlebe einen solchen Sprint mit Sicherheit nicht
mehr.
Und
egal wie viele Wertsachen sich das nächste mal in meinem Rucksack wirklich
befinden:
Soll
sie doch jemand anderes haben.
Ich lerne derweil Psychologie für Anfänger. Vielleicht bekomm ich auf dem Wege
auch raus,
warum
immer mir so was passiert - oder warum die Ampel prinzipiell immer auf Rot
steht, wenn ich die Straße überqueren will...
(
Eure
Marina (2005/06)
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